Potentiale aufdecken

Interview mit Clemens Volkwein, Demographie-Berater und Personalreferent beim hessischen Arbeitgeberverband Chemie

Marc Schubert

Demographie-Berater und Gesundheitsmanager Marc Schubert (Bild: Schubert)

Wiesbaden, 19. Mai 2012 – Clemens Volkwein ist Demographie-Berater und Referent für Sozial- und betriebliche Personalpolitik beim hessischen Arbeitgeberverband Chemie. Der studierte Sozialwissenschaftler und Gesundheitsökonom verantwortet den „Demographie-Check“ des Tarifwerks, sowie die Umsetzung und Weiterentwicklung des Tarifvertrages „Lebensarbeitszeit und Demographie“. rebequa sprach mit Volkwein über den Fachkräftemangel in der chemischen Industrie und warum der Tarifvertrag effektiv ist.

Warum beschäftigt der hessische Arbeitgeberverband der chemischen Industrie einen Demographie-Berater?

Unsere Kunden sind überwiegend Mittelständler. Diesen fehlen Zeit und Ressourcen sich die Expertise für ein Demographie-Management selber anzueignen. Unser Verband bündelt diese Aufgabe und organisiert diesen Wissenstransfer.

Wie unterstützen Sie Ihre Mitgliedsunternehmen?

Etwa indem ich eine innerbetriebliche „Demographie-Werkstatt“ moderiere. Diese soll Demographie-Risiken konkret benennen, Handlungsoptionen abwägen und Maßnahmen für Strategien festlegen. Es gibt so viele Vorstellungen davon, was Demographie bedeutet, so dass Strukturierungen sehr hilfreich sind.

Sie haben soeben eine Unternehmensumfrage zum Thema „Fachkräftemangel“ durchgeführt. Was sind die wichtigsten Ergebnisse?

Zuerst dass es sich nicht um Phantom-Leiden, sondern um echte Schmerzen handelt. Für die Hälfte der befragten Unternehmen ist der Fachkräftemangel akut. Als Folge befürchten unsere Unternehmen Produkte nicht schnell genug entwickeln und vermarkten zu können bzw. eine Verschlechterung der Servicequalität.  

Die chemische Industrie konnte seit der Krise 2008/2009 Rekordumsätze und -auslastungen verzeichnen. Insbesondere das Exportgeschäft boomt. Die Engpässe bei der Rekrutierung von Fachkräften sind hauptsächlich dieser Entwicklung geschuldet. Sehen Sie weitere Ursachen?

Der größte Hebel ist die qualifizierte Migration, die aber ohne entsprechende Rahmenbedingungen und Willkommenskultur nicht denkbar ist. Jedoch muss sich auch jedes Unternehmen kritisch fragen, welche Potentiale es bisher verschenkt hat.

Steigende Energiepreise und Umweltauflagen belasten Unternehmen der chemischen Industrie. Welche Entwicklung sehen Sie für den Arbeitsmarkt?

Im Jahr 2011 ist die Zahl der Chemie-Beschäftigten in Deutschland um drei Prozent gestiegen. Auch das Ausbildungsplatzangebot wurde gegenüber dem Vorjahr um sieben Prozent ausgeweitet. Die Chemie sorgt also mit Blick auf Fachkräfteengpässe vor.

Welche Maßnahmen empfehlen Sie als Demographie-Berater gegen den Fachkräftemangel?

An erster Stelle sich damit auseinanderzusetzen! Zwar gibt es landauf landab Podien zum Fachkräftemangel, die sich aber oft in der Beschreibung von Prognosen und Klagen erschöpfen. Wenn wir gewillt sind jeden Stein umzudrehen, z.B. auch die „nicht-ausbildungsfähigen“ Jugendliche zu berücksichtigen, finden sich Potentiale, die wir brauchen.

Seit vier Jahren ist der Tarifvertrag „Lebensarbeitszeit und Demographie“ für über 550.000 Beschäftigte der chemischen Industrie in Kraft. Was zeichnet diesen Tarifvertrag aus? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Der Tarifvertrag hat gezeigt, dass Demographie nicht „dort draußen“ passiert, sondern eine Managementaufgabe ist. Wegen der Verpflichtungen zu Demographieanalysen und –fonds ist der Tarifvertrag unbequem. Dennoch wurde mir oft gesagt: Ohne den Tarifvertrag hätten wir uns gar nicht oder zu spät auf den Weg gemacht.

Die Sozialpartner wollen den Tarifvertrag weiterentwickeln. Wo sehen Sie Handlungsbedarf?

Wir brauchen eine stärkere Differenzierung und Flexibilisierung der Arbeitszeit - für die Unternehmen und für die Beschäftigten. Außerdem gehören altersbezogene Tarifregelungen, wie z.B. die Altersfreizeiten auf den Prüfstand.

Vielfalt der Belegschaft, d.h. Diversity Management gewinnt in Unternehmen an Bedeutung. Welche Potentiale sehen Sie für Unternehmen der chemischen Industrie?

Die Fachkräftediskussion und der Trend zur Wissensökonomie, der Umgang mit digitaler Vernetzung und organisatorischen Veränderungen werden divers aufgestellten Mannschaften leichter fallen. Schauen Sie unsere Fußball-Nationalmannschaft an – ohne Özil und Khedira würden wir uns nicht so sehr auf die EM freuen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Volkwein.


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