rebequa® im Interview:


Zukunftsfähigkeit braucht Dynamik

Interview mit Demographie-Beratern Andrea Demtröder und Werner Schmalstieg

Die Psychologin Andrea Iris Demtröder (Jg. 1960) ist seit 2003 mit „Demtröder Managementdiagnostik“ als selbstständige Personal- und Unternehmensberaterin tätig. Davor hat sie in verschiedenen Unternehmen als Bildungsreferentin, Personalberaterin und -entwicklerin gearbeitet. Ihre Beratungsschwerpunkte sind Personalsuche und -gewinnung, Assessment Center und Audits, Coaching sowie Personalentwicklungsberatung.

Werner Schmalstieg (Jg. 1950), ist Bankbetriebswirt und seit 2001 unter der Firma „Schmalstieg Unternehmens-Entwicklung“ als Finanz- und Potenzialberater tätig. Das Leistungsspektrum umfasst einerseits Projekte wie die Bewertung des Geschäftsmodells, die Unternehmenspositionierung, Potenzialermittlung und –erschließung sowie Markteinführung neuer Ideen. Andererseits die Finanzierungs- und Liquiditätsberatung einschließlich der Vorbereitung auf das Bankgespräch. Sein Ziel ist eine ganzheitliche Unternehmensgestaltung zur Sicherung der Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit.

Beide haben 2006 die Qualifizierung zum/r Demographie-Berater/in absolviert. rebequa sprach mit ihnen über ihr Beratungsangebot.

Herr Schmalstieg, Sie sind als Unternehmensberater für ganzheitliche Unternehmensentwicklung, Potenzialanalyse und Finanzmanagement tätig - was hat Sie dazu bewogen, eine Qualifizierung zum Demographie-Berater aufzusetzen?

Schmalstieg: Eine ganz simple Erkenntnis - wir erreichen in den Unternehmen Nachhaltigkeit nur dann, wenn wir die wesentlichen Produktionsfaktoren kennen und gestalten. Ein ganz wichtiger Faktor ist das Wissen des Personals, denn das stellt die Kreativität eines Unternehmens dar. Zahlen, Daten und Fakten erlauben immer nur einen Blick in die Vergangenheit. Was zukünftig im Unternehmen geschieht, geht nur über die Mitarbeiter. Als das Qualifizierungsangebot bei mir auf dem Schreibtisch lag, war für mich vollkommen klar, dass ich an daran teilnehmen muss.

Sie haben jetzt die Qualifizierung hinter sich – was ist für Sie die Quintessenz?

S: Dass ich in meiner langfristigen Ausrichtung bestärkt wurde. Ich habe schon eine Menge Veränderungsprozesse live mitgestaltet, z.B. im Bereich der Vertriebsleitung von Banken oder bei mittelständischen Betrieben. Gerade in den letzten fünfzehn, zwanzig Jahren haben sich dort die Anforderungen gewaltig verändert. Was mir von der Qualifizierung besonders im Gedächtnis geblieben ist, ist die Sicherung von langfristigen Perspektiven für die Mitarbeiter und die elementaren Veränderungen auf den Absatzmärkten. Bleiben wir bei den Mitarbeitern: Es muss einem vierzigjährigen Mitarbeiter Spaß machen, daran zu denken, mit fünfundfünfzig noch immer für dasselbe Unternehmen tätig zu sein. Es muss in der Unternehmenskultur selbstverständlich werden, dass Ältere im positiven Sinne gebraucht werden und nicht nur Kosten verursachen.

Frau Demtröder, Sie sind Expertin was Personalfragen Organisationsentwicklung und Beratung angeht - was hat Sie motiviert, die Qualifizierung zum Demographie-Berater zu absolvieren?

D: Ganz praktische Erfahrungen, vor allem die deutlich absehbare Tendenz, dass bei Personalauswahlverfahren die Anzahl der interessanten Kandidaten zurückgeht. Das hat nicht nur mir, sondern auch zum Teil meinen Kunden den Kopf gewaschen. Derzeit noch vereinzelt, wird es in den kommenden 5-10 Jahren aber immer mehr Betriebe mit Fachkräfte- und Spezialistenmangel geben. Eine vernünftige Besetzung hinzukriegen, wird immer schwieriger. Schon wiederholt habe ich miterlebt, welchen Spagat man manchmal dafür vollbringen muss. Noch kann man die Unternehmen aber rechtzeitig auf die Herausforderung hinweisen.

Und was nehmen Sie aus der Qualifizierung mit?

D: Was ich vor allem mitnehme ist eine neue Herangehensweise an das Thema Demographie und an die Daten. Natürlich haben wir bereits in der Vergangenheit Personalbemessungsstudien in Unternehmen gemacht, aber die strategische Ausrichtung war dabei komplett anders. Ich habe eine weitere Blickrichtung kennen gelernt, und ich denke auch, dass das neue Analysetool meine Beratung stark bereichern wird.

Welcher Zusammenhang zwischen demographischen Fragestellungen und den Aspekten des Personalmanagements ist aus Ihrer Sicht wichtig?

S: Der Zusammenhang ist vielschichtig. Es gibt drei demographische Schlüsselfragen für kleine und mittelständische Unternehmen: Wie verändert sich mein Personalbestand und der Wissenspool? Wie kann ich im Kampf um die besten Mitarbeiter auch gegen Großunternehmen bestehen? Und schließlich: Wie verändern sich meine Absatzmärkte auf Grund der demographischen Entwicklung? Einige der mir bekannten KMU planen leidenschaftlich gerne von einem zum nächsten Quartal, bei einem längeren Planungshorizont reden wir auch mal über 1-2 Jahre. Den Planungshorizont für die Personalentwicklung quantifiziere ich allerdings eher mit 5 Jahren. Ich sehe eine Riesenchance darin, bei der Unternehmensanalyse gezielt die Personalentwicklung ins Stärken- und Schwächen-Profil einzubinden.

Sehen Sie nur Risiken oder sehen Sie auch Chancen?

D: Wenn die Unternehmen nichts tun, sehe ich vor allem Risiken - wenn sie etwas tun, sehe ich ganz viele Chancen. Chancen, sich auf veränderte Märkte einzustellen und neue Kunden zu gewinnen. Ich sehe auch Chancen, durch die Belegschaft neue Erkenntnisse zu gewinnen und neue Erfahrungen zu sammeln, speziell durch den stärkeren Einbezug und die systematischere Förderung von älteren Mitarbeitern.

Aus Ihrer Sicht als Personalexpertin: Was macht denn aktuelle alternsgerechte Personalpolitik vor allem aus?

D: Bisher gibt es faktisch keine! Beim Mittelstand oder bei kleinen Unternehmen gibt es zwar eine Art Rücksichtnahme auf ältere Mitarbeiter aufgrund der persönlichen Bindung - aber ansonsten ist das kein Thema. Heute Morgen habe ich noch vergeblich versucht, einen 56-Jährigen in einer karitativen Einrichtung unterzubringen. Die haben ganz klar gesagt: „Sorry, den können wir, trotz passender Qualifikation, nicht einstellen.“ Das ist der IST-Zustand.

Und wie sieht das SOLL aus?

D: Den Wissens- und Erfahrungstransfer kann und muss man besser hinkriegen als bisher. Zum Beispiel kenne ich einen hoch spezialisierten Ingenieur, der jetzt in Ruhestand geht, aber noch zwei Jahre als Berater für die Firma tätig sein wird. Aber glauben Sie, dass irgendjemand aus dem Konzern auf die Idee kommt, sein Wissen in den nächsten zwei Jahren zu sichern? Nein! Das ist erschreckend.

Wie wollen Sie denn nun kleine und mittelständische Unternehmen für eine alternsgerechte Personalpolitik gewinnen?

S: Voraussetzung ist, dass den KMU der Nutzen erst einmal transparent ist. Ich komme aus dem mittelständischen Bankenbereich und kenne daher auch eine Menge mittelständischer Unternehmen. Hier gilt es anzufangen in dem Bewusstein, dass ein Handeln bei akutem Mangel oder hohem „Leidensdruck“ zu spät ist – also nehmen wir Kontakt zu ausgewählten Unternehmen auf.

D: Daher arbeiten wir an einer klaren Nutzenargumentation. Im zweiten Schritt haben wir dann vor, verschiedene Informationsveranstaltungen zu organisieren, um die Zielgruppe zu erreichen. Zum einen führt der Weg über die lokalen Handwerkskammern. Zum anderen wollen wir unsere Mitgliedschaft in Verbänden der Wirtschaft nutzen.

Wie wollen Sie die Mitgliedschaft konkret nutzen?

D: Wir möchten bei regionalen Informationsveranstaltungen kurze Vorträge zum Thema anbieten. Vielleicht können wir auch mit Banken zusammen Veranstaltungen für die Firmenkundschaft aufziehen - Sparkassen und Genossenschaftsbanken sind ja die Bankverbindungen für die unsere Beratungs-Zielgruppe. Da wir beide schon Kundenveranstaltungen durchgeführt haben, bringen wir für diese Art von Akquisition auch eine gewisse Routine mit.

Kommen wir noch zu Ihren Branchenschwerpunkten - ich habe vor allem einen Bezug zur mittelständischen Finanzwelt herausgehört?

D: Mittelständische Finanzdienstleister bilden für uns den gemeinsamen Background. Banken verstehen wir als Doppelnutzer, einmal als örtliche Marktteilnehmer, aber auch als Finanzpartner. Gerade hier ist es wichtig, alle Daten und Fakten zur Wettbewerbsfähigkeit des Kunden zu erfassen und in einem Ratingprozess zu bewerten. Seit meiner Arbeit im Werkzeugmaschinenbau bei Gildemeister habe ich zudem eine gewisse Affinität für Unternehmen entwickelt habe, wo es zischt und sich dreht. Für mich war das eine wichtige Erfahrung. Und in kleinen gewerblichen Betrieben sprechen die Leute dann noch eine andere Sprache. Darüber hinaus habe ich, neben der Finanzdienstleistungsbranche, auch im Handel, in der optischen Industrie, der Medizintechnik oder in Krankenhäusern gearbeitet.

S: Meine Branchenerfahrungen beziehen sich weniger auf das verarbeitende Gewerbe, mehr auf Banken, die Entsorgungswirtschaft oder Einkauf und Logistik.

Und in welcher Region werden Sie mit Ihrem Demo-Fit-Angebot aktiv werden?

S: Unser gemeinsames Kerngebiet liegt zwischen Neuss und Duisburg, wir würden uns aber auch über den Rhein in Richtung Düsseldorf wagen.

D: Und ich als alte Ruhrgebietspflanze würde auch dort gerne meine Kontakte wieder aufleben lassen. Der linke Niederrhein ist erst mal unsere Stufe Eins, danach erobern wir den Rest!

Veranstaltungen als erster Schritt - wie geht es dann weiter?

D: Die interessierten Unternehmer würden wir nach dem Info-Abend noch einmal gezielt kontaktieren und ihnen ein Angebot für eine Altersstrukturanalyse machen.

S: Dann nehmen wir auch Kontakt zu den Beratern auf, die wir kennen, ich bin beispielsweise im Verband der KMU-Berater und werde auch dort vom neuen Leistungsinstrument berichten und die Kontakte nutzen.

Und Sie beide möchten vorwiegend als Team beraten?

D: Ja, denn unsere Profile ergänzen sich sehr gut. Herr Schmalstieg bringt eigene Erfahrungen in der Unternehmensführung mit und ist der Stratege. Ich bin dagegen die Spezialistin für Personalthemen und Coaching.

S: Wir verfolgen aber nicht nur mit unseren Kompetenzen einen ganzheitlichen Ansatz sondern auch mit der Beratungsleistung. Das heißt, wir gehören nicht zu den Beratern, die Schweinslederbände zum betrieblichen Veränderungsprozess abgeben und dann eine Staubwolke hinterlassen. Wir möchten sowohl kompetent beraten als auch bei der Umsetzung begleiten. Gerade bei KMU ist es ungeheuer wichtig, dass sie Unterstützung bei der Umsetzung erfahren - auch wenn sie nicht gerne darüber reden.

Frau Demtröder, Herr Schmalstieg, haben Sie vielen Dank für das Gespräch!


(Zeichen mit Leerzeichen: 10.383)

Das Regionale Beratungs- und Qualifizierungsprogramm rebequa wurde von der Düsseldorfer healthpro GmbH initiiert und gemeinsam mit dem Institut für Arbeitswissenschaft der RWTH Aachen durchgeführt. Ziel ist es, die demographische Situation für KMU abzubilden und Personalstrategien in regionalen Betrieben anzustoßen. Im Rahmen des Programms wurden insgesamt 102 Demographie-Berater qualifiziert, 82 Unternehmen haben die Demo-Fit-Beratung (Stand 14.12.06) nachgefragt und 11 Regionaltreffen wurden in ganz NRW veranstaltet. rebequa wurde vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales Nordrhein-Westfalen (MAGS) und aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds gefördert. 


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