rebequa® im Interview:


Migration ist Hebel gegen Fachkräftemangel

Interview mit Clemens Volkwein, Demographie-Berater beim hessischen Arbeitgeberverband Chemie

Clemens Volkwein

Demographie-Berater Clemens Volkwein (Bild: HessenChemie)

Wiesbaden, 19. Mai 2012 – Clemens Volkwein ist Demographie-Berater und Referent für Sozial- und betriebliche Personalpolitik beim hessischen Arbeitgeberverband Chemie. Der Sozialwissenschaftler und Gesundheitsökonom verantwortet den „Demographie-Check“ des Tarifwerks, sowie die Umsetzung und Weiterentwicklung des Tarifvertrags „Lebensarbeitszeit und Demographie“. rebequa sprach mit Volkwein über den Fachkräftemangel in der chemischen Industrie und warum sich der Tarifvertrag seit 2008 bewährt hat.

Warum beschäftigt der hessische Arbeitgeberverband der chemischen Industrie einen Demographie-Berater?

Unsere Kunden sind überwiegend Mittelständler. Diesen fehlen Zeit und Ressourcen sich die Expertise über das Thema selber anzueignen. Unser Verband bündelt diese Aufgabe und organisiert diesen Wissenstransfer.

Wie unterstützen Sie Ihre Mitgliedsunternehmen?

Etwa indem ich eine innerbetriebliche „Demographie-Werkstatt“ moderiere. Diese soll Demographie-Risiken konkret benennen, Handlungsoptionen abwägen und Maßnahmen für Strategien festlegen. Es gibt so viele Vorstellungen davon, was Demographie bedeutet, so dass Strukturierungen sehr hilfreich sind.

Sie haben soeben eine Unternehmensumfrage zum Thema „Fachkräftemangel“ durchgeführt. Was sind die wichtigsten Ergebnisse?

Zuerst dass es sich nicht um Phantom-Leiden, sondern um echte Schmerzen handelt. Für die Hälfte der befragten Unternehmen ist der Fachkräftemangel akut. Als Folge befürchten unsere Unternehmen Produkte nicht schnell genug entwickeln und vermarkten zu können bzw. eine Verschlechterung der Servicequalität.  

Die chemische Industrie konnte seit der Krise 2008/2009 Rekordumsätze und -auslastungen verzeichnen. Insbesondere das Exportgeschäft boomt. Die Engpässe bei der Rekrutierung von Fachkräften sind hauptsächlich dieser Entwicklung geschuldet. Sehen Sie weitere Ursachen?

Uns fehlt ebenso der Hebel qualifizierter Migration, die aber ohne entsprechende Rahmenbedingungen und Willkommenskultur nicht denkbar ist. Jedoch muss sich auch jedes Unternehmen kritisch fragen, welche Potentiale es bisher verschenkt hat.

Steigende Energiepreise und Umweltauflagen belasten Unternehmen der chemischen Industrie. Welche Entwicklung sehen Sie für den Arbeitsmarkt?

Ohne Zweifel gibt es verschiedene Risiken, auch die wirtschaftliche Abkühlung und die internationale Schuldenkrise zählen dazu. Letztes Jahr konnten in der hessischen Chemieindustrie jedoch 600 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, die Zahl an Ausbildungsplätzen liegt mit 1.542 Stellen auf einem neuen Höchststand.

Welche Maßnahmen empfehlen Sie als Demographie-Berater gegen den Fachkräftemangel?

An erster Stelle sich damit auseinanderzusetzen! Zwar gibt es landauf landab Podien zum Fachkräftemangel, die sich aber oft in der Beschreibung von Prognosen und Klagen erschöpfen. Wenn wir gewillt sind jeden Stein umzudrehen, d.h. auch „nicht-ausbildungsfähige“ Jugendliche zu berücksichtigen, finden sich Potentiale, die wir brauchen.

Seit vier Jahren ist der Tarifvertrag „Lebensarbeitszeit und Demographie“ für über 550.000 Beschäftigte der chemischen Industrie in Kraft. Was zeichnet diesen Tarifvertrag aus? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Der Tarifvertrag hat gezeigt, dass Demographie nicht „dort draußen“ passiert, sondern eine Managementaufgabe ist. Wegen der Verpflichtungen zu Demographieanalysen und -fonds ist der Tarifvertrag unbequem. Dennoch wurde mir oft gesagt: Ohne den Tarifvertrag hätten wir uns gar nicht oder zu spät auf den Weg gemacht.

Die Sozialpartner wollen den Tarifvertrag weiterentwickeln. Wo sehen Sie Handlungsbedarf?

Wir brauchen eine stärkere Differenzierung und Flexibilisierung der Arbeitszeit – für die Unternehmen und für die Beschäftigten. Außerdem gehören altersbezogene Tarifregelungen, wie z.B. die Altersfreizeiten, auf den Prüfstand.

Vielfalt der Belegschaft, d.h. Diversity Management gewinnt in Unternehmen an Bedeutung. Welche Potentiale sehen Sie für Unternehmen der chemischen Industrie?

Die Fachkräftediskussion und der Trend zur Wissensökonomie, der Umgang mit digitaler Vernetzung und organisatorischen Veränderungen werden divers aufgestellten Mannschaften leichter fallen. Schauen Sie unsere Fußball-Nationalmannschaft an – ohne Özil und Khedira würden wir uns nicht so sehr auf die EM freuen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Volkwein.


Der Arbeitgeberverband HessenChemie veranstaltet am 19. Juni 2012 die Wiesbadener Gespräche zur Sozialpolitik unter dem Titel „Von Leuchttürmen, Nebelbänken und Eisbergen – Fachkräftesicherung braucht Weitsicht“. Informationen und Anmeldungen unter www.wiesbadenergespraeche.de


Pressekontakt:

Wolfgang Kanka
Tel.: 0211/88 28 45 68
Fax: 0211/88 28 45 69
presse@healthpro.de
www.rebequa.de
Citadellstr. 11
40213 Düsseldorf


(Zeichen mit Leerzeichen: 4.480)

rebequa bietet betriebliche Demographie-Beratung für nachhaltige Personalstrukturen in Unternehmen und Organisationen an. Für diese Beratungen stehen über 800 qualifizierte Demographie-Berater/-innen bundesweit bereit. rebequa zeigt demographisch-ökonomische Perspektiven in den Regionen auf und qualifiziert Führungskräfte.

rebequa® wurde von der Unternehmensberatung healthpro initiiert und von verschiedenen Bundes- und Landesministerien mit Mitteln des Europäischen-Sozialfonds (ESF) unterstützt.