rebequa® im Interview:


Jung und Alt kombinieren

Interview mit Demographie-Beraterin Wilma Weber

Wilma Weber (55) arbeitet seit 12 Jahren beim Evangelischen Johanneswerk e.V. in Bielefeld, zu dem NRW-weit 73 Einrichtungen mit unterschiedlichem diakonischen Dienstleistungsangebot gehören. Die Diplom-Betriebswirtin ist dort zuständig für die Entwicklung von strategischen Instrumenten des Personalmanagements und für die Beratung und Begleitung von Führungskräften. Insgesamt sind in der Unternehmensgruppe Ev. Johanneswerk etwa 5.300 Menschen beschäftigt, zu den Haupt-Arbeitsfeldern gehören die Alten- und die Behindertenarbeit. Im Sommer 2006 hat sie die Qualifizierung zur Demographie-Beraterin NRW durchlaufen - healthpro sprach mit ihr über die Kompetenzen jüngerer und älterer Mitarbeiter und die optimale Teamarbeit.

Frau Weber, was hat Sie bewogen, Demographie-Beraterin zu werden?

Ich beschäftigte mich schon seit geraumer Zeit mit der demographischen Entwicklung in unserer Gesellschaft. In den 50er Jahren sagte Adenauer „Kinder kriegen die Leute immer.“ Davon war dieser Mann fest überzeugt. Noch Ende der 90er meinte Arbeitsminister Blüm „Die Rente ist sicher.“ Wie haltbar diese Prognosen sind, sehen Sie ja jetzt. Als Personalverantwortliche möchte ich auf die gesellschaftlichen Entwicklungen rechtzeitig reagieren können und habe mich deshalb entschlossen, diese Fortbildung zu machen.

Welche besonderen Voraussetzungen bringen Sie für die Demographie-Beratung mit?

Mein großes Plus ist mein Know-how in der Personalentwicklung und dem Personalmanagement. Personal ist das, was mich seit meinem Studium der Betriebswirtschaft interessiert. Von 1997 bis Ende 2002 war ich Leiterin eines Alten- und Pflegeheimes. Ich habe immer genau und aufmerksam hingeschaut, wie arbeiten Ältere, wie arbeiten Jüngere, was sind die besonderen individuellen Interessen und wie kann ich diese einbinden in die Ziele des Unternehmens? Die stimmige Verbindung der Ideen und Visionen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit den Zielen des Unternehmens - wenn ich die erreiche, das ist immer ein Highlight.

Sind demographische Fragestellungen in Ihrem beruflichen Umfeld bereits aufgetaucht?

Sicherlich. Das Evangelische Johanneswerk hat sich sogar schon in seinen Unternehmenszielen mit der Bevölkerungsentwicklung auseinandergesetzt. Es ist nach meiner Meinung wichtig, das „Jugendwahn-Denken“ der vergangenen Jahre zu verlassen und die Potentiale und Fähigkeiten der erfahrenen Leistungsträgerinnen und -träger verstärkt in den Blick zu nehmen. Schon bei der Einstellung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollte es vorrangig um Fachlichkeit und Kompetenzen gehen, nicht um Alter. So wie im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz ja auch gefordert, verzichten wir beispielsweise darauf, in Stellenanzeigen eine Altersbegrenzung anzugeben. Wir schauen einfach, welche Kompetenzen, Erfahrungen und Fähigkeiten für die jeweiligen Aufgaben gebraucht werden.

Spiegeln sich demographische Fragestellungen an den Standorten Ihrer Einrichtungen unterschiedlich wider?

Ja, auf jeden Fall. Wenn ich mir das Sauerland rund um Bad Berleburg anschaue oder das Ruhrgebiet rund um Essen - solche Umstände wie die Arbeitslosenquote oder Abwanderung machen sich schon bemerkbar. Die unterschiedlichen Entwicklungen sind etwas, mit dem ich mich in nächster Zeit noch etwas intensiver auseinandersetzen muss. Die Fakten und Hinweise aus der Qualifizierung sind für mich als Beraterin sehr hilfreich. Derzeit gestalten wir beispielswiese in Bocholt ein grenzübergreifendes Projekt zu den Niederlanden hin - für unsere Regionalgeschäftsführung ist es sicher interessant, mehr über die demographischen Gegebenheiten der Region und die damit verbundenen Konsequenzen für unsere Mitarbeiterschaft zu erfahren.

Wie würden Sie denn bei einem fremden Unternehmen in die Beratung vor Ort einsteigen?

Zum Einstieg würde ich immer erst einmal anschauen, welches Unternehmen ich da vor mir habe, also welche Kultur dort gelebt wird - die Unternehmens- und Führungskultur ist ganz entscheidend. Für die Demographie-Beratung muss ich wissen wer die Ansprechpartner sind, die ich zur Durchsetzung meiner Empfehlungen mit ins Boot nehmen muss. Gerade die Mitarbeitervertretung ist dabei ein sehr zentrales Gremium.

Was würden Sie denn einer Geschäftsführung empfehlen, wenn die sich noch unsicher ist, ob sie nachhaltige Personalstrategien planen soll?

Zunächst einmal würde ich über die allgemeinen demographischen Entwicklungen der Gesellschaft und des Unternehmens einen Zugang suchen. Dann würde ich die Felder ansprechen, die davon betroffen sind, z.B. das Betriebliche Gesundheitsmanagement, die Weiterbildung oder der Erhalt der Mitarabeitermotivation. Wie können alle Mitarbeiter gesund und fit bleiben und welche Maßnahmen sind vor allem für die Altersgruppe ab 45 zu ergreifen? Ältere dürfen nicht irgendwann abgehängt werden oder sich abgehängt fühlen oder sich abhängen lassen. Es darf nicht Teil einer Unternehmenskultur sein, dass sich Weiterbildung über 40 oder 45 nicht mehr lohnt! Bei der derzeitigen Rentendiskussion ist es eine Tatsache, dass jemand mit 45 noch mindestens 20 Jahre vor sich hat, in denen er motiviert und gestaltend mitarbeiten sollte.

Wie sollte ein Unternehmen beginnen, demographiefestes Personalmanagement zu etablieren?

Ein Unternehmen sollte im ersten Schritt schauen, welche Altersstruktur es insgesamt und in einzelnen Bereichen und Abteilungen hat. Ich bin in jedem Fall eine Verfechterin der altersgemischten Altersstruktur! Von zu jungen oder zu alten Teams halte ich nichts, und ich sehe es als eine Aufgabe der Personalentwicklung, auf die optimale Zusammensetzung zu achten.

Welche Vorteile sehen Sie in altersgemischten Teams?

Vor allem die gegenseitige Ergänzung und Unterstützung! Junge Menschen haben viele Fähigkeiten und Kompetenzen, aber auch kreative Ideen und Visionen, die Ältere wie mich immer interessieren sollten und die ein Unternehmen lebendig halten. Und Ältere haben mit den Jahren Berufserfahrung gesammelt, die ebenfalls unverzichtbar ist. Die Fähigkeiten und das Wissen zu kombinieren und zusammen eine gute Arbeitsleistung zu erbringen - das halte ich für zukunftsorientiert.

Unterschiede in der Arbeitsweise oder im Verhalten am Arbeitsplatz - sind diese Dinge eher altersbedingt oder völlig individuell?

In meinen Augen eindeutig individuell. Ich kann aus meiner Erfahrung heraus nicht behaupten, dass es „die Jungen“ gibt, die sich alle einheitlich verhalten. Sprunghaft, spontan, nicht belastbar, das lässt sich alles nicht verallgemeinern. Ich kenne beispielsweise sehr viele junge Menschen, die unheimlich motiviert sind, die mit sehr viel Elan an ihren Berufsweg herangehen und ihr Berufsziel auch sehr deutlich definieren. Allerdings kenne ich aber auch genug junge Menschen, die das weniger gut tun und die man selbst mit sehr viel Unterstützung nicht so richtig auf den Weg bringen kann.

Und bei den Älteren?

Ist das genau so. Ich kenne einerseits Ältere, die mit 50 der Meinung sind, sie könnten sich zurücklehnen und sich langsam auf die Rente vorbereiten. Die leben dann von ihrer Vorfreude auf die Rente und ich muss dann die Entscheidung akzeptieren. Andererseits gibt es wiederum solche, die sich mit 50 eine völlig neue Herausforderung suchen, eine neue Aufgabe, die sie gestalten wollen und die sie womöglich noch über das Rentenalter hinaus aktiv hält.

Kompetenz und Motivation sind ihrer Ansicht und Erfahrung nach also nicht unbedingt altersabhängig?

Genau. Aus meiner Erfahrung heraus kann ich deshalb für altersgemischte Teams plädieren, damit habe ich nur gute Erfahrungen gemacht. Ich selbst schätze die Zusammenarbeit mit meinen jungen Kollegen sehr, arbeite aber genau so gern mit den Kollegen zusammen, die noch älter sind als ich. Von den Jüngeren lasse ich mir sehr gerne erklären, wie ich Powerpointpräsentationen verbessern kann, weil ich einfach weiß, dass er oder sie da kreativer und versierter ist. Aber ich erlebe auch, dass junge Kollegen mit fachlichen Fragen sehr gerne zu mir kommen. Das Miteinander trägt dazu bei, dass gemeinsame Ziele besser erreicht werden können.

Frau Weber, haben Sie vielen Dank für dieses Gespräch!


(Zeichen mit Leerzeichen: 8.115)

Das Regionale Beratungs- und Qualifizierungsprogramm rebequa wurde von der Düsseldorfer healthpro GmbH initiiert und gemeinsam mit dem Institut für Arbeitswissenschaft der RWTH Aachen durchgeführt. Ziel ist es, die demographische Situation für KMU abzubilden und Personalstrategien in regionalen Betrieben anzustoßen. Im Rahmen des Programms wurden insgesamt 102 Demographie-Berater qualifiziert, 82 Unternehmen haben die Demo-Fit-Beratung (Stand 14.12.06) nachgefragt und 11 Regionaltreffen wurden in ganz NRW veranstaltet. rebequa wurde vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales Nordrhein-Westfalen (MAGS) und aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds gefördert. 


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