rebequa® im Interview:


Generationen integrieren

Interview mit Demographie-Beraterin Dr. Eva Köhl

Dr. Eva Köhl wurde im Rahmen des rebequa-Programms zur Demographie-Beraterin NRW qualifiziert. Während ihrer Hochschultätigkeit an der RWTH Aachen hat sich die promovierte Informatikerin und Wirtschaftsingenieurin schwerpunktmäßig mit Betriebs- und Arbeitsorganisation unter EDV-Einsatz befasst. Nach der wissenschaftlichen Karriere machte sie sich selbstständig und ist seitdem in der Beratung und Erwachsenenbildung tätig. Sie engagiert sich ehrenamtlich im Verein ax-o e.V. für die berufliche Integration von Jungen.

healthpro: Frau Köhl, was hat Sie bewogen, Demographie-Beraterin zu werden?

Ich betrachte meine Qualifizierung nie als abgeschlossen, denn Lernen ist ein Prozess. Ich bin selbst über 50 und sehe, dass man in diesem Alter auch zu den aktivsten Leuten gehören kann, wenn man denn will. Demographie-Beratung ist für mich eine neue Sichtweise auf bekannte Dinge. Nehmen Sie Begriffe wie Job Enrichment oder Job Enlargement - die hat's alle schon gegeben. Wir gehen jetzt die Themen noch einmal durch und sorgen für mehr Generations-Integration – das finde ich spannend.

Sie haben sich über die Integration von Generationen schon vor Ihrer Qualifizierung Gedanken gemacht?

Ja, aber nicht nur für ältere Menschen. Seit einigen Jahren führe ich einen Verein im Bereich Kinder- und Jugendarbeit mit dem Schwerpunkt "Integration ins Berufsleben". Somit habe ich auch die Eindrücke von der anderen Seite, verstehen Sie? Wir müssen die Jungen wie die Alten integrieren, wenn unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft funktionieren sollen. Demographie ist einfach mehr als die Förderung älterer Mitarbeiter - es ist die Schaffung eines Gesamtumfeldes, in dem Junge und Alte gerne miteinander leben und arbeiten.

Wie würden sie einem kleinen oder mittelständischen Unternehmer das Thema „Demographie im Unternehmen“ denn schmackhaft machen?

Schwierige Frage, es ist schließlich ein neues Thema, mit dem wir alle erst einmal Erfahrungen sammeln müssen. Berater sind immer nur dann erwünscht, wenn ein Unternehmen Probleme aus eigener Kraft nicht lösen kann. In Fertigungsunternehmen sieht man die Probleme meist sehr schnell. Lange Durchlaufzeiten, hohe Lagerbestände, schlechte Termintreue oder hoher Verschrottungsanteil sind sehr konkrete Indikatoren, dass das Unternehmen an seiner Produktionsplanung und -steuerung etwas ändern muss. Als Demographieberater brauchen wir sehr schnell ähnlich konkrete Indikatoren, die einem Unternehmen klar machen, dass es an seiner Personalpolitik arbeiten muss. Wahrscheinlich reicht derzeit noch die Frage "Kennen Sie die Altersstruktur Ihres Unternehmens?“

Wie würden Sie denn den Zusammenhang von Demographie und Personalmanagement beschreiben?

Ich denke die Anforderungen an die Arbeit einer Person sind je nach Entwicklung im Berufsleben als auch im persönlichen Leben anders: in jüngeren Jahren möchte ein Mensch vorankommen, irgendwann möchte er Stabilität und Sicherheit haben, und schließlich kommt der Punkt, an dem man sich Anerkennung für seine geleistete Arbeit wünscht und seine Erfahrungen weitergeben will. Für die Menschen wächst daraus ein Selbstwertgefühl, was auch die Leistungsfähigkeit enorm positiv beeinflusst. Ein an Demographie orientiertes Personalmanagement sollte also nicht nur eine ausgewogene Altersstruktur im Unternehmen anstreben, sondern auch Freiräume für altersspezifische Befindlichkeiten schaffen.

Von Initiative über Stabilität bis hin zu Anerkennung und der Weitergabe von Wissen - beschreiben Sie da so eine Art Kreislauf?

Ich verstehe das als einen individuellen Entwicklungsprozess. Bestimmte Rollen wechseln einfach mit den Jahren - nicht nur in der Familie, sondern auch im Betrieb. Diese Rollen muss man bewusst annehmen und aktiv ausfüllen. Ein Unternehmen sollte seine Mitarbeiter dabei unterstützen, indem es Arbeitsplätze, Aufgabenzuschnitte und Verantwortungsbereiche immer wieder mal überdenkt. Gerade weil heute die Menschen auch im höheren Alter noch agiler und fitter sind als vielleicht vor 40 Jahren, bietet sich für Unternehmen eine Chance, betriebliches Wissen über Produkte, Prozesse und  Märkte lange im Unternehmen zu halten und zu nutzen.

Sie haben Erfahrungen damit, computergestützte Verfahren auch gegenüber Älteren zu etablieren. Kennen Sie besondere Widerstände, die mit dem Alter einhergehen?

Nein, ich habe da eher positive Erfahrungen gemacht. Ältere hinterfragen kritischer, ob die Sache einen messbaren Nutzen bringt. Diese Euphorie, dass vielleicht eine Automatisierung in einem Ausschnitt betrachtet funktioniert, die finden sie da nicht. Eine Automatisierung muss für alle Beteiligten einen Nutzen bringen, und dieser Nutzen muss gerecht verteilt sein. Ich bezeichne das als "informationelles Gleichgewicht".

Sie arbeiten ehrenamtlich für die berufliche Integration von Jungen – gibt es Vorurteile oder Stereotypen in Verbindung mit typischen Berufsbildern von Männern und Frauen? Können Sie da in der Demographie-Beratung auch Ratschläge geben?

Allgemeine Ratschläge sind da sehr schwierig, denn als Ganzes ist alles immer geprägt von einer Unternehmenskultur. Wir haben heute nicht mehr diesen Mainstream, sondern wir haben viele Facetten von „typisch Frau / typisch Mann“. Als ich damals Mathematik studieren wollte und Informatik gemacht habe, war es völlig klar, dass man mir sagte: „Sie als Frau?“ Heute ist es so, dass meine eigenen Söhne Bemerkungen fallen lassen, dass Mädchen in Mathe besser sind - da hat sich in den vergangenen 30 Jahren offenkundig vieles verschoben. Sichtweisen auf Rollen und Fähigkeiten kann man mittlerweile schon einzelnen Generationen zuordnen. Meine Erfahrung ist, dass eine geschlechterbewusste Personalpolitik stark davon abhängen kann, ob die Führungskraft selber Söhne oder Töchter hat.

Was meinen Sie: Kompetenzen, Motivationen, Potenziale - haben die etwas mit dem Alter zu tun, oder mit der Person selbst?

Beides. Es hängt viel vom Individuum ab, ob es lernwillig, lernbegierig und auch lernfähig ist. Im Alter setzt man das Erlernte einfach in Erfahrung um und wendet es an. Und wenn ich dafür offen bin, werde ich natürlich mit zunehmendem Alter anders arbeiten, anders urteilen, und auch besser und effizienter arbeiten. Aber es hat auch ganz klar etwas mit Persönlichkeitsmerkmalen zu tun.

Gibt es vielleicht noch thematische Schwerpunkte Ihres Demo-Fit-Angebots, die wir bisher noch nicht angesprochen haben?

Ich bin durch meine berufliche Prägung sehr sensibel, was das Zuhören betrifft. Ich kann mich sehr gut in Kommunikationsstrukturen hineindenken und finde schnell heraus, in welchen Formen oder Mustern Leute denken. Sicherlich werde ich an der einen oder anderen Stelle Situationen finden, in denen ich versuche, das offen zu legen und neue Kommunikationsmöglichkeiten dann auch anzustoßen. Thematisch wäre ein weiterer Beratungs-Schwerpunkt die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Ich fände es mal spannend herauszufinden, welches Unternehmen schon fortschrittlich genug ist, um auch einen jungen Familienvater zu einer Erziehungszeit zu ermutigen!

Wir wollen noch einmal kurz auf Ihren Regionenbezug eingehen. Wenn Sie Beratungsdienstleistungen anbieten, wem bieten Sie diese vor allen Dingen an, und haben Sie regionale Schwerpunkte?

Den meisten Branchenbezug habe ich zu Fertigungsunternehmen, vorwiegend in Nordrhein-Westfalen. Meist sind es mittelständische Unternehmen, häufig auch in Familienbesitz, bei denen man vielfach eine ganz eigene Firmenkultur vorfindet. Ich habe aber auch Erfahrungen mit IT-Dienstleistern in NRW. Die Region um Aachen ist mir natürlich besonders vertraut.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Dr. Köhl.


(Zeichen mit Leerzeichen: 7.040)

Das Regionale Beratungs- und Qualifizierungsprogramm rebequa wurde von der Düsseldorfer healthpro GmbH initiiert und gemeinsam mit dem Institut für Arbeitswissenschaft der RWTH Aachen durchgeführt. Ziel ist es, die demographische Situation für KMU abzubilden und Personalstrategien in regionalen Betrieben anzustoßen. Im Rahmen des Programms wurden insgesamt 102 Demographie-Berater qualifiziert, 82 Unternehmen haben die Demo-Fit-Beratung (Stand 14.12.06) nachgefragt und 11 Regionaltreffen wurden in ganz NRW veranstaltet. rebequa wurde vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales Nordrhein-Westfalen (MAGS) und aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds gefördert.


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