rebequa® im Interview:


Demographie-Notfall

Interview mit Antje Judick, Demographie-Beraterin und Sachgebietsleiterin bei der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH), Hannover

Antje Judick

Demographie-Beraterin und Sachgebietsleiterin Antje Judick (Bild: Judick)

23. Februar 2016 – Antje Judick ist Sachgebietsleiterin Zentrales Krankenhaus- und Anschlussrehamanagement bei der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) in Hannover. Nach dem Studium mit Schwerpunkt betrieblicher Gesundheitsförderung war die diplomierte Gesundheitswirtin seit 2010 für das Klinikum Region Hannover GmbH tätig. Zuletzt war Sie ebenda kaufmännische Direktorin der Tochtergesellschaft KRH ambulant GmbH. 2015 hat sie die Qualifizierung zur Demographie-Beraterin absolviert. rebequa sprach mit Judick über demographische Effekte im Gesundheitswesen und was das für Versicherte bedeutet.

Was war Ihre Motivation Demographie-Beraterin zu werden?

Der Arbeitsmarkt im Gesundheitswesen ist von den demographischen Entwicklungen stark betroffen. Ich wollte Methoden kennenzulernen um Stärken und Schwächen in der Personalplanung aufzudecken und wirksame Maßnahmen ableiten zu können.

Hat sich die Qualifizierung gelohnt?

Ja, die Qualifizierung war sehr informativ und praxisorientiert. Zusätzlich zur Methodik habe ich einen guten Überblick über bestehende und erprobte Aktivitäten in diesem Tätigkeitsgebiet erhalten. Damit kann ich ein seriöses Netzwerk aufbauen und von Erfahrungen profitieren.

Welche neuen Kompetenzen haben Sie gewonnen?

Vor allem habe ich meinen Blick für die noch bestehenden Hürden beim Zugang zum Arbeitsmarkt geschärft.

Wie können Sie Ihre neuen Kompetenzen einsetzen?

Da sehe ich vielfältige Möglichkeiten. Sowohl intern bei der Etablierung einer nachhaltigen Personalplanung und eines Gesundheitsmanagementsystems, als auch bei der Entwicklung von zielgruppenorientierten Angeboten für unsere Versicherten.

Sie waren für eine Klinikgruppe als kaufmännische Direktorin tätig. Mit welchen demographischen Entwicklungen wurden Sie konfrontiert?

Es wird insbesondere im Gesundheitswesen schwieriger, geeignete Fachkräfte für vakante Stellen zu finden. Der Fachkräftemangel bleibt akut. Zusätzlich klaffen die Vorstellungen der Bewerber und die Anforderungen an eine Tätigkeit im Krankenhaus auseinander. 

Was heißt das konkret?

Qualifizierte Bewerber können unter zahlreichen Stellenangeboten auswählen. So verwundert es nicht, wenn im Bewerbungsgespräch neben flexiblen Arbeitszeiten, Homeoffice und zusätzlichen Gehaltsbestandteilen auch nach Weiterbildung gefragt wird. Die Bewerbungssituation hat sich umgekehrt.

Welche Angebote Ihrer Krankenkasse orientieren sich an den Erfordernissen einer alternden Belegschaft?

Im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements werden den Unternehmen aktuelle Fehlzeitenanalysen und Branchenreports zu Verfügung gestellt. Die Unternehmen haben die Möglichkeit, Gesundheitstage durchzuführen und werden zum Thema „Gesunde Führung“ beraten.

Welche Chancen sehen Sie in der Digitalisierung hinsichtlich der medizinischen Leistungserbringung?

Da sehe ich große Chancen. Die Behandlung bestimmter Patientengruppen mit Hilfe z.B. der Telemedizin wird an Bedeutung gewinnen - vor allem im ländlichen Raum. Auch im Bereich der Prävention tun sich neue Chancen auf. Wir nutzen bereits diese Möglichkeiten im Bereich des Gesundheitscoachings für unsere Versicherten, z.B. bei der Übertragung von Blutdruckwerten und bei Gewichtskontrollen.

Die Arbeit in Krankenhäusern ist personalintensiv, belastend und zum Teil sehr schlecht vergütet. Wie wird sich der Arbeitsplatz „Krankenhaus“ verändern?

Sehr stark. Die Anforderungen an das Krankenhaus als „attraktiven“ Arbeitgeber werden steigen. Anstellungen mit einem interessanten Aufgabenmix und unter Beachtung von Themen wie z.B. Vereinbarkeit von Familie und Beruf können zu einem Wettbewerbsvorteil werden. Die steigende Anzahl an Frauen in diesem Berufszweig wird eine Herausforderung sein.

Wie ist das zu verstehen?

Frauen sind diejenigen die in den meisten Fällen Beruf und Familie vereinbaren. Dieser Umstand macht Teilzeitmodelle erforderlich die mit einer verbindlichen Personalplanung inkl. Nachbesetzung und Einarbeitung schwer zu kombinieren sind. Zudem steht das Krankenhaus mit Wechselschichtdiensten und oftmals erforderlichen Überstunden hier vor einer besonderen Herausforderung.

Wie werden sich die demographischen Entwicklungen zukünftig im Gesundheitswesen auswirken?

Der Fachkräftemangel wird den Druck im Gesundheitswesen weiter verstärken: Die Budgets für die Leistungserbringung werden knapper wohingegen die Patientenzahlen und Anforderungen an das Klinikmanagement hinsichtlich Qualität und Hygiene steigen. Die Kliniken werden sich anpassen und das vorhandene Personal entsprechend zielgerichtet einsetzen. Dies wird zu veränderten Aufgaben in einzelnen Berufsgruppen führen.

Und im Hinblick auf die Patienten?

Die Patienten werden generell älter und leben länger mit z.T. vielschichtigen Erkrankungsbildern. Dies wird den Betreuungsbedarf nochmals steigern. Zudem wird es weniger Angehörige geben, die sich um die Patienten kümmern können. Entweder sind die Patienten kinderlos oder Angehörige sind aus anderen Gründen nicht verfügbar.

Was ist Ihre Empfehlung?

Das Gesundheitswesen muss sich auf Kernprozesse konzentrieren. Eine Überprüfung, welche Leistungen für Versicherte künftig ohne Zuzahlungen bleiben, wird unausweichlich. Die Bewertung von selbstverursachten Gesundheitsrisiken wird ebenso eine Rolle spielen sowie die gewünschte Betreuungsintensität in Kliniken.

Frau Judick, vielen Dank für das Gespräch.


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(Zeichen mit Leerzeichen: 4.950)

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