rebequa® im Interview:


„Bevor es richtig weh tut, müssen wir konsequent gegensteuern“

Interview mit Clemens Volkwein, Demographie-Berater bei HessenChemie

Clemens Volkwein, Demographie-Berater bei HessenChemie

Clemens Volkwein, Demographie-Berater bei HessenChemie

Wiesbaden, 19. Mai 2009 - Clemens Volkwein ist Demographie-Berater beim Arbeitgeberverband HessenChemie. Im Zentrum seiner Arbeit stehen der „Demografie-Check“ im Tarifwerk der chemischen und kunststoffverarbeitenden Industrie sowie die Beratung vor Ort. Die Demographie-Beratung trägt dazu bei, die unternehmerische Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft zu erhalten. Ziel ist, die Beschäftigungsfähigkeit in allen Erwerbsphasen zu stärken und die Potentiale jedes Lebensalters zu nutzen. rebequa Pressesprecher Wolfgang Kanka sprach mit dem Sozialwissenschaftler über die Vorreiterrolle der chemischen Industrie, über Kennzahlen zur Demographie-Festigkeit und die aktuelle Studie der Commerzbank „Abschied vom Jugendwahn“.

Herr Volkwein, für die gesamte Chemiebranche mit ihren rund 550.000 Beschäftigten gilt der seit April 2008 gültige Tarifvertrag „Lebensarbeitszeit und Demographie“. Was sind die Eckpunkte dieses Vertrags?

Die chemische Industrie hat immer wieder Meilensteine zum Querschnittsthema „Demographischer Wandel“ gesetzt. So hat sie unter dem Dach der „Chemie-Formel zum demographischen Wandel“ die Tarifverträge zu Langzeitkonten und zur Qualifizierung neu gestaltet. Auch die Grundsätze der Sozialpartnervereinbarung für eine familienbewusste Personalpolitik flossen hier ein. Die Essenz des Vertrages liegt darin, dass wir betriebliche Altersstrukturen analysiert und mit personellen Handlungsfeldern und einem eigenen „Demographiefond“ verbunden haben.

Steht der Tarifvertrag jetzt, wo in vielen Branchen nur die Kurzarbeit Konjunktur hat, auf dem Prüfstand oder gar zur Disposition?

Auch unsere Mitgliedsunternehmen sind zum Teil von Kurzarbeit betroffen. Daher rückt die strategische Personalplanung etwas nach hinten. Wer aber in der Krise vorausdenkend agiert, stellt heute die Weichen für die Zeit danach. Denn die Alterung der Belegschaften wird sich weiter verschärfen. Wenn Personalabbau im Raum steht, muss man sich fragen: Sind die Anreize zur Verrentung zeitgemäß? Welche Qualifizierungen stärken die Beschäftigungsfähigkeit? Welche Ziele hat das Unternehmen für Ausbildung und Übernahme der ausgebildeten Kräfte? Die Wirtschaftskrise kann die Alterung und Schrumpfung nicht stoppen. Wenn Leistungsträger in einem Jahr ausscheiden, muss heute die Nachfolge geplant werden. Wenn Produktionsbereiche altern, kann morgen die Krankheitsquote steigen. Dies alles zu ignorieren, wäre ökonomisch sehr unklug.

Kennen Sie Unternehmen, die ihren Bedarf an Fachkräften jetzt decken und damit die Krise nutzen?

Ja, besonders im Hinblick auf sehr spezifische Qualifikationen! Diese Unternehmen verhalten sich antizyklisch. Natürlich braucht man dazu die unternehmerische Handlungsfähigkeit. Unsere Mitgliedsunternehmen wollen Personalabbau, wo immer es geht, vermeiden und mit tragfähigen Personalstrukturen in die Zukunft gehen.

Gibt es Parameter oder Zahlen, anhand derer festgestellt werden kann, ob ein Unternehmen der chemischen Industrie demographiefest ist?

Die chemische Industrie geht hier sehr differenziert und umfassend vor. Zahlreiche Fragen werden untersucht: Mitarbeiterqualifikation, Verrentung, die Position in der Wertschöpfungskette, das Kundenverhalten… Je nach dem, welche Aspekte man vertieft, stößt man bei der Beratung vor Ort auf verschiedene Kennzahlen: Dazu gehören Fluktuationsraten, die Weiterbildungsquote, der Krankenstand, die Anträge auf Altersteilzeit, das Durchschnittsalter bestimmter Jobfamilien (Meister, IT-Fachleute), um nur einige zu nennen. Die zentrale Frage lautet aber stets: „Wie gehen wir mit Alter und Altern im Unternehmen um und wie nutzen wir diese Potentiale?“

Die aktuelle Commerzbank-Studie „Abschied vom Jugendwahn“ kommt zu dem Schluss: „Der Mittelstand hat das Thema Personalplanung auf die lange Bank geschoben.“ Ist das auch Ihr Eindruck?

Das mag in einzelnen Fällen zutreffen, auf uns sicher nicht. Denn die bereits 2005 in unserer Verbandsstrategie festgezurrten Rahmenbedingungen fördern die Wettbewerbsfähigkeit unserer Mitglieder. Hierzu gehören tarifvertragliche Flexibilisierungsinstrumente, die arbeitswissenschaftliche Expertise, ein ausgeprägtes Seminarprogramm sowie die Rechtsberatung. Mit dem neuen Angebot der Demographie-Beratung haben wir unsere Leistungen substantiell erweitert. Die Resonanz gerade von KMU ist hier sehr positiv, da die Beratung die aktuelle Umsetzung des Tarifvertrages sehr erleichtert.

Die befragten Unternehmen in der Studie sehen bei älteren Mitarbeitern in den Bereichen Innovationskraft, Effizienz und Motivation Nachteile, was im Strukturwandel besonders relevant sei. Wie sind da Ihre Erfahrungen?

Wer eine rosa Brille trägt, sieht alles rosa. Wenn Vorurteile gegenüber Älteren bestehen, findet man diese auch bestätigt. Dann werden Ältere nicht weiter gebildet, keine Vorkehrungen für Arbeitsplatz- und Arbeitszeitergonomie getroffen, die Motivation dieser Arbeitnehmer ignoriert und der Wissenstransfer nicht vorangetrieben. Das Schlagwort heißt hier: Lebenszyklusorientierte Personalarbeit. Die Gleichung Jung=Innovativ stimmt nicht, Jung=Neu trifft es besser. Innovation heißt für uns, betriebsinterne Abläufe und über Jahre gewachsener Netzwerke mit neuestem Know-how zu kombinieren. Innovation in diesem Sinne kann nicht ‚gekauft’ werden, sondern wird innerbetrieblich erarbeitet.

Sie haben sich 2007 zum Demographie-Berater qualifiziert. Hat sich das für Sie gelohnt, können Sie diese Qualifizierung aus heutiger Sicht empfehlen?

Die Qualifizierung hat mir einen Überblick zum Thema gegeben sowie den Austausch mit freien Beratern, kommunalen Angestellten und Personalexperten ermöglicht. Die große Aufgabe für jeden Teilnehmer ist es, dieses Angebot nicht zu konsumieren, sondern für sich zu nutzen. Dazu hat mich die rebequa-Qualifizierung sehr angeregt.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Volkwein.

Pressekontakt:

Wolfgang Kanka
Tel.: 0211/138 66 - 337
Fax: 0211/138 66 - 77
presse@healthpro.de
www.rebequa.de
Königsallee 14
40212 Düsseldorf


(Zeichen mit Leerzeichen: 5.970)

rebequa bietet bundesweit qualifizierte Demographie-Beratung im Hinblick auf generationsgerechtes Personalmanagement für Unternehmen und Organisationen an. Für diese Beratungen stehen über 300 qualifizierte Demographie-Berater/-innen in ganz Deutschland bereit. Das Programm zeigt regional-demographische Perspektiven hinsichtlich zukünftiger Personalressourcen auf.

rebequa wurde im Jahr 2006 von healthpro initiiert und von verschiedenen Bundes- und Landesministerien mit Mitteln des ESF-Sozialfonds unterstützt. rebequa® steht für „Regionale Beratung und Qualifizierung“.