rebequa® im Interview:


„Ältere spielen als Qualifizierungszielgruppe fast keine Rolle.“

Interview mit Demographie-Beraterin Anja Voß

Anja Voß (30) ist Berufs- und Wirtschaftspädagogin und arbeitet seit Anfang 2005 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungsinstitut Arbeit, Bildung, Partizipation (FIAB) in Projekten zur Personalentwicklung und Weiterbildung. Davor war sie fünf Jahre lang in der Wirtschaftsförderungsgesellschaft für den Kreis Unna im Bereich Weiterbildungsberatung beschäftigt. Ihre Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind betriebliche und berufliche Weiterbildungsberatung sowie Weiterbildungsbedarfsanalyse. Für das „Bildungsforum Vest Recklinghausen e.V.“ ist sie ehrenamtlich als Bildungsscheck-Beraterin tätig. healthpro sprach mit ihr über den Nutzen der Qualifizierung für ihre tägliche Arbeit.

healthpro: Frau Voß, Sie beraten schon einige Jahre KMU und Einzelpersonen im Bereich Qualifizierung. Ältere Mitarbeiter und Weiterbildung - wie sind da die Tendenzen der letzten Jahre?

Voß: Ich würde sagen, als Qualifizierungszielgruppe spielen Ältere fast keine Rolle.

Bedeutet das, dass Ältere sich nicht weiterbilden lassen oder einfach nicht weitergebildet werden?

Sie werden jedenfalls nicht besonders berücksichtigt bei der Qualifizierung. Je nach Qualifikationsniveau können sie teilweise teilnehmen. Manche sagen aber auch selbst, dass es für sie keine Weiterbildung mehr gibt oder dass sie nicht mehr wollen. Das habe ich auch oft in den Unternehmen erlebt. Weiterbildung muss ermöglicht werden, aber die Leute müssen auch wollen. Es ist kein Geheimnis, dass das Weiterbildungsengagement mit dem Qualifikationsniveau der Mitarbeiter steigt.

Hat Weiterbildungsberatung vielleicht auch etwas mit den heiß diskutierten demographischen Fragen zu tun?

Meiner Erfahrung nach sehr viel. Alternde Belegschaften erforden einfach, dass man frühzeitig Qualifizierungsaktivitäten anstößt. Neben dem inhaltlichen Nutzen erhält kontinuierliche Weiterbildung auch die Bereitschaft und Offenheit bei den Mitarbeitern, sich neues Wissen anzueignen. Unternehmen müssen gezielt vorbereitet werden, damit sie sich den Herausforderungen stellen können.

Welche Probleme und Herausforderungen sind das aus Ihrer Sicht?

Ganz klar natürlich die Bewahrung von Wissen und Kompetenzen - gerade die älteren erfahrenen Mitarbeiter haben meist eine recht gute Qualifikation und sitzen oft auf Schlüsselpositionen. Wenn die dann einfach ausscheiden, können junge Bewerber gar nicht so schnell nachkommen. Daher sollten Unternehmen dafür sorgen, dass frühzeitig qualifiziert wird. Denn je früher die Qualifizierungsaktivitäten in Gang kommen, desto unwahrscheinlicher ist das Aufkommen größerer Qualifizierungs- und Wissenslücken im Unternehmen.

Die Qualifizierung zur Demographie-Beraterin liegt jetzt zum Großteil hinter Ihnen - was nehmen Sie vor allem aus der Schulung mit und wo scheint sie Ihnen auch in der täglichen Beratungspraxis hilfreich zu sein?

Oft sehe ich in meiner Qualifizierungsberatung zwar den hohen Altersdurchschnitt, aber ich habe einfach nicht das Handwerkszeug dazu, fundierte Aussagen zu treffen und gezielt Maßnahmen einzuleiten. Gefreut habe ich mich daher über die sehr handfesten Instrumente. Ich denke, davon werde ich am meisten profitieren.

Welche sind das?

Das Altersstrukturanalyse-Tool ist sehr hilfreich. Vorher hatte man vielleicht den Eindruck, dass ein Problem da sein könnte. Jetzt kann ich den Eindruck festmachen und bestätigen. Aus meiner Sicht besonders interessant ist die Verknüpfung von Altersstruktur und Weiterbildungsempfehlungen. Die demographische Analyse kann genaue Hinweise auf aktuelle und künftige Qualifizierungslücken geben.

Wie sprechen Sie denn derzeit Unternehmen an? Gehen Sie auf die Betriebe zu oder wenden diese sich an Sie?

Im Bildungsscheck-Projekt, das ich ja als Beraterin mit betreue, kommen die Unternehmen zu uns und möchten Bildungsschecks für bestimmte Themen haben. Im Gespräch klopfe ich dann ab, ob vielleicht noch andere Themen interessant sind oder ob die Qualifizierung im Betrieb etwas systematischer geplant werden soll. Es bietet sich einfach an, den richtigen Ansatz zu suchen, weil im Bildungsscheck-Programm so viele Möglichkeiten offen stehen. Für die Qualifizierung Älterer ist der Bildungsscheck deshalb besonders geeignet, weil diese Zielgruppe häufig ohnehin schon länger nicht an Weiterbildung teilgenommen hat.

Könnten Sie kurz erläutern, was das Bildungsscheck-Programm genau ist?

Der Bildungsscheck ist ein NRW-Projekt, das sich an Unternehmen mit bis zu 250 Beschäftigten richtet. Jede Form von Weiterbildung, die nicht zu den gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtschulungen zählt, wird vom Land mit 50 Prozent bezuschusst, maximal mit 750 Euro pro Mitarbeiter und Bildungsscheck. Dazu zählen neben Fachkenntnisen auch EDV-Schulungen, Kommunikationsseminare oder Führungskurse. Das Prinzip ist sehr einfach: Die Unternehmen kommen zu uns in die Beratungsstelle für ein Beratungsgespräch. Die Bildungsschecks für passende Weiterbildungen werden im Rahmen dieses Gesprächstermins direkt ausgestellt. Damit aber auch zielgerichtet und problemorientiert Weiterbildung nachgefragt wird, helfe ich als Beraterin auf Wunsch auch mit, individuelle Konzepte zu erarbeiten.

Und die Mitarbeiter oder die Geschäftsführung geht dann in die Weiterbildung und lässt sich die Kosten hälftig erstatten?

Nicht mal. Sie zahlen von vornherein nur 50 Prozent der Kosten. Der Bildungsscheck ist beim Bildungsanbieter bares Geld wert. Die Abrechnung der Bildungsschecks mit dem Land NRW übernimmt der Weiterbildungsanbieter. Unternehemen und Einzelpersonen, die den Bildungsscheck nutzen, brauchen sich darum nicht selbst zu kümmern.

Das klingt spannend: die Verbindung demographischer Beratungskompetenz mit dem konkreten Angebot des Bildungsschecks.

Ja, aber der Bildungsscheck ist ja nur ein Programm - es gibt durchaus noch mehr, z.B. gibt es das sogen. „WeGeBau-Programm“ der Arbeitsagentur. Das ist ein Weiterbildungsprogramm für bestimmte Zielgruppen, z.B. Mitarbeiter über 50 Jahre in Unternehmen bis 100 Mitarbeitern oder An- und Ungelernte in Unternehmen beliebiger Größe. Die Förderung beträgt dort 100 Prozent, läuft aber voraussichtlich Ende 2006 aus.

Aus welcher Region kommen Unternehmen, denen Sie diese Kombination aus Demographieanalyse und Weiterbildungsberatung anbieten?

Mein Schwerpunkt liegt in Emscher-Lippe, ich habe aber auch starken Bezug zum Raum Kreis Unna und Dortmund.

Frau Voß, haben Sie vielen Dank für dieses Gespräch!


(Zeichen mit Leerzeichen: 7.263)

Das Regionale Beratungs- und Qualifizierungsprogramm rebequa wurde von der Düsseldorfer healthpro GmbH initiiert und gemeinsam mit dem Institut für Arbeitswissenschaft der RWTH Aachen durchgeführt. Ziel ist es, die demographische Situation für KMU abzubilden und Personalstrategien in regionalen Betrieben anzustoßen. Im Rahmen des Programms wurden insgesamt 102 Demographie-Berater qualifiziert, 82 Unternehmen haben die Demo-Fit-Beratung (Stand 14.12.06) nachgefragt und 11 Regionaltreffen wurden in ganz NRW veranstaltet. rebequa wurde vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales Nordrhein-Westfalen (MAGS) und aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds gefördert.


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